Uraufführung eines Orgel-Glocken-Konzerts

Der Klang von Orgeln und Glocken berührt Menschen in vielen Kulturen und vermittelt Feierlichkeit und Transzendenz. Aus Anlaß des Europäischen Glockentags 2023 fand in der Basilika St. Kunibert in Köln ein Orgel-Glocken-Konzert mit Prof. Dr. Michael Gerhard Kaufmann statt.

An der Kuhn-Orgel ließ er Werke von Paumann, Senfl, Lebeque, Bach, Mozart, Morandi, Mendelssohn, Liszt, Rheinberger, Reger, Graf u. a. erklingen. Dazu waren tonartlich passende Glocken des großen Geläuts der Basilika zu hören.

Samstag, 6. Mai 2023  |  20:00 Uhr

Kaufmann unterrichtet Musikwissenschaft an der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg und ist als Sachverständiger im Orgel- und Glockenprüfungsamt der Evangelischen Kirche in Baden in Karlsruhe tätig.

 


 

Programm Orgel-Glocken-Konzert am 6. Mai 2023, 20:00 Uhr, in der katholischen Basilika St. Kunibert Köln

Anonymus – wahrscheinlich Conrad Paumann (1410-1473)
Praeambulum super „Redeuntes“ [in Mi]
aus dem „Buxheimer Orgelbuch“ (ca. 1460/70)
mit Glocke „Kirspel | Kunibert“ (e2 -5/16), 1453

Anonymus – wahrscheinlich Robert Praelisauer (1708-1771)
Tintinnabl [in Fa]
aus der „Harmonia Organica“, genannt „Ochsenhauser Orgelbuch“ (1735)

Nicolas Lebéque (1631-1702)
Les chloches [in Fa]
aus dem „Troisième Livre d‘Orgue“ (1685)

Giovanni Morandi (1777-1856)
Rondò con imitazione de‘ campanelli [in Fa]

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Adagio [in C] KV 356 (1791 ursprünglich für Glasharmonika)
mit Glocken „Jakob“ (c2 -5/16), 1958, und „Zimbel“ (g2 -4/16), 1422

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
Kriegsmarsch der Priester [in F]
aus der Schauspielmusik „Athalia“ Op. 74 (1843-45), bearbeitet von William Thomas Best (1826-1897)
mit Glocken „Clemens“ (f1 -5/16), 1773, und „Bruno“ (b1 -4/16), 1990

Franz Liszt (1811-1886)
Ave Maria [in F]
Paraphrase (1863) über die gleichnamige Motette von Jakob Arcadelt (1507-1568)
mit Glocke „Bourdon | Engelglocke“ (f0 -3/16), 1990

Julius Rietz (1812-1877)
Preludio [in Es]
Gästebucheintrag (1856)
mit Glocke „Trösterin | Marienglocke“ (b0 -3/16), 1990

Max Reger (1873-1916)
Te Deum laudamus [in a]
aus „Zwölf Stücke für die Orgel“ Op. 59 (1901)
mit Glocke „Kunibert | Dreifaltigkeit“ (des1 -3/16), 1773

Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Meine Seele erhebt den Herren [in d] (nach 1733)
mit Glocke „Cordula“ (d2 -6/16), 1958

Arvo Pärt (*1935)
Pari intervallo [in es] (1976/80)

Wolfram Graf (*1965)
Erstanden! Festmusik für Orgel und Glocken Op. 259 (2023)
Uraufführung – Einzelglocken und Vollgeläute
Auftragskomposition des Beratungsausschusses für das Deutsche Glockenwesen anlässlich des 4. Europäischen Glockentages in Köln vom 4. bis 7. Mai 2023

Orgel: Michael Gerhard Kaufmann, Karlsruhe / Heidelberg
Glocken: Martin Kares, Karlsruhe


Michael Gerhard Kaufmann, geboren 1966 in Landau/Pfalz, studierte Schul- und Kirchenmusik, Germanistik und Musikwissenschaft an der Musikhochschule und an der Universität in Karlsruhe. Seine Promotion zum Dr. phil. schrieb er über „Orgel und Nationalsozialismus – Die ideologische Vereinnahmung des Instrumentes im ‚Dritten Reich‘“. Er lehrte und forschte an den Institutionen in Karlsruhe, an der Universität Tübingen und an der Musikhochschule Trossingen, wo er 2009 zum Honorarprofessor ernannt wurde. Seit 2013 unterrichtet er Musikwissenschaft an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg und leitet dort die Aus- und Fortbildung von Orgelsachverständigen sowie Glockensachverständigen. Er ist als Sachverständiger für die Evangelische Kirche in Baden sowie europaweit tätig. Als Künstlerischer Leiter verantwortet er die Konzertreihe „Orgel-Welten“ an der historischen Welte-Orgel in der Adelhauserkirche Freiburg. Seine Publikationsliste beinhaltet Veröffentlichungen zu musikhistorischen und -ästhetischen Themen, Schriften zur Orgel und ihrer Musik sowie Editionen süddeutscher Orgel- und Klostermusik (u.a. Ochsenhauser Orgelbuch ausgezeichnet mit dem Deutschen Musikeditionspreis 2005). Als Autor der Anträge zur Aufnahme von „Orgelbau und Orgelmusik“ in das UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik Deutschland (2014) und in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit (2017) war er maßgeblich am Eintrag der Kulturform beteiligt. Als Organist übt er eine internationale Konzerttätigkeit aus und hat Aufnahmen auf Ton- und Bildträgern sowie für Rundfunk und Fernsehen vorgelegt. Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Forschung sieht er beim Instrument Orgel, in der Musik Johann Sebastian Bachs und Max Regers sowie allgemein in der Kirchenmusik und der Musik der Region Oberschwaben. Künstlerisch fühlt er sich v.a. der sogenannten Alten Musik und Historisch informierten Aufführungspraxis (16. bis beginnendes 20. Jahrhundert) verpflichtet.

Martin Kares, geboren 1959, Orgelbauer und Musikinstrumentenrestaurator, Bachelor of Arts mit Hauptfach Orgel (USA), Musikwissenschafts- und Kunstgeschichtsstudium. Stipendiat des DAAD und der DFG. 1990 Promotion, Dienstantritt Leiter des Orgel- und Glockenprüfungsamtes der Ev. Landeskirche in Baden. 1992-2009 Vorsitzender der Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands. 2009 Ernennung zum Kirchenrat, 2023 zum KMD. Berufung durch die EKD in den Beratungsausschuss für das deutsche Glockenwesen. Langjährige Mitwirkung in der Fernsehsendung „Kunst & Krempel“. Europaweite Gutachtertätigkeit, zahlreiche Publikationen.


Anmerkungen des Komponisten Wolfram Graf zu seiner Komposition Erstanden! – Festmusik für Orgel und Glocken, Op. 259

Das Werk „Erstanden!“ wurde von dem Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen in Auftrag gegeben und ist dem Uraufführungsinterpreten des Orgelparts Prof. Dr. Michael Gerhard Kaufmann gewidmet. Anlass war der 4. Europäische Glockentag in Köln vom 4. bis 7. Mai 2023 zur Feier der 100. Wiederkehr des Gusstages der Petersglocke des Kölner Doms am 5. Mai 1923.
Die Festmusik wurde für die Basilika St. Kunibert in Köln mit ihrem 10-Glocken-Geläut geschrieben. Die Töne dieses klangprächtigen Instruments sind: f – b – des‘ – f‘ – as‘ – b‘ – c‘‘ – d‘‘ – e‘‘ – g‘‘. In dem Orgelpart werden diese aufgegriffen und bestimmen wesentlich das harmonische, sowie das lineare, skalenartige Geschehen. Des Weiteren treten gravitätisch punktierte Motive hinzu, wodurch immer wieder ein majestätischer Grundduktus entsteht.
Nach der Eröffnung durch die Orgel werden die Glocken zunächst in kleineren Gruppen mit wenigen Anschlägen bzw. kurzem Anläuten eingeführt, beginnend mit den hohen Tönen bis in die tieferen Lagen. Gegen Ende des Werkes erklingt dann das volle Geläut, während die Orgel Teile aus dem Osterlied „Christ ist erstanden“ zitiert. Die Anfangstöne dieser aus der Sequenz des Wipo von Burgund (vor 1000 – nach 1046) „Victimae paschali laudes“ abgeleiteten Leise sind in der Tonskala der Glocken in zwei Transpositionen enthalten: d-c-d-f-g-d und g-f-g-b-c-g, wodurch eine direkte Bezugnahme gerade zu diesem Lied naheliegt. Das Stück klingt dann mit dem tiefsten Glockenton aus, während in der Orgel das „Kyrieleis“, der Schluss des Chorals, erklingt.
In diesem Sinne ist diese Komposition nicht nur ein Klangexperiment mit der ungewöhnlichen Kombination von Orgel und Glocken, sondern auch als Bekenntniswerk der christlichen Auferstehung zu verstehen.
Wolfram Graf, Hof im Januar 2023


 

Downloads